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Klassenarbeit 1a

Thema: Texterörterung
Inhalt: Texterörterung zu Urlaub, Luxus und Einwanderung.
Lösung:Lösung vorhanden
Schule: Gymnasium
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Lösungsvorschlag zur Texterörterung 1 (Überall daheim)

Hubert Kaltenbach hat für die Gmünder Tagespost den Artikel Überall daheim verfasst. Der Artikel wurde am 29. Juli 1999 veröffentlicht und behandelt den modernen Massentourismus und seine Folgen.

Der Autor stellt einleitend (Zeilen 1 - 11) die zunehmende Gleichheit zwischen den Urlaubszielen und der Heimat fest. Ferner ist er der Meinung, dass der moderne Massentourist keine Rücksichtnahme auf die Einheimischen kenne (Zeilen 12 - 22). Im Folgenden nennt er den niedrigen Preis und die Bequemlichkeit als Ursache für den Massentourismus (Zeilen 23 - 30). Herr Kaltenbach weist anschließend auf eine deutliche Veränderung zum Tourismus früherer Jahrzehnte hin. Die Touristen würden nicht vor dem Alltag flüchten, sondern wollten sich überall heimisch fühlen (Zeilen 31 - 41). Den Traum von individueller Lebensfreude entlarvt er außerdem als kritikloses Konsumieren der stereotypen Produkte der Tourismusindustrie (Zeilen 42 - 63). Der Journalist kommt weiterhin zu der Ansicht, dass die Einzigartigkeit der Gastländer in den Tourismuszentren kaum noch erkennbar sei (Zeilen 64 - 74) und sich diese Form des Massentourismus immer mehr durchsetze (Zeilen 75 - 78). Abschließend konstatiert Hubert Kaltenbach bedauernd, dass individuelle Urlaubsgestaltung aus der Mode sei und stattdessen Urlaub als positives Massenerlebnis empfunden würde (Zeilen 79 - 88).

Zunächst stellt sich jedoch die Frage, ob jeder Pauschalurlaub wirklich automatisch ein Reisen im "vertrauten Kreis der großen Reisefamilie" (Zeile 85f.) ist. Wo überhaupt liegt denn die Grenze zwischen "selbstbestimmtem" (Zeile 79) und "perfekt inszeniertem" (Zeile 81) Reisen? Ist etwa jeder, der ein Reisebüro betritt, automatisch ein Massentourist? Soll es denn verwerflich sein, zu "längst vertrauten Zielen" (Zeile 2ff.) oder sogar zur "zweiten Heimat" (Zeile 6f.) zu reisen? Schließlich muss dies doch unserer Erholung keinen Abbruch tun. Natürlich verlangen wir als zahlende Kunden eine gewisse Berücksichtigung "unserer Bedürfnisse" (Zeile 21f.) und mehr "Bequemlichkeit" (Zeile 26) als zu Hause, sonst bräuchten wir doch nicht zu vereisen. Auch gehen doch die "Tabus" der "Einheimischen" (Zeile 12f.) nur soweit, bis sie das optimale Ausschöpfen der Einnahmequelle Tourismus behindern. Gerade in den muslimischen Reiseländern ist dies doch deutlich zu beobachten. Warum soll dieser Tourismus überhaupt ein so negatives "Massenphänomen" (Zeile 37) sein? Es kann doch nicht jeder mit dem Privatjet in ferne Länder fliegen, selbst wenn er es sich leisten könnte. Man kann doch auch die Pauschalreise mit gut organisierter An- und Abreise, Hotelunterkunft und Verpflegung als Basis zur individuellen Erkundung des Urlaubslandes nutzen. Nur so erreicht man doch die Sehenswürdigkeiten oder örtlichen Besonderheiten mit vertretbarem finanziellen Aufwand.

Doch genau hier setzt die Kritik von Herrn Kaltenbach an. Er zeigt deutlich auf, dass ein Ausscheren aus der "perfekt inszenierten Konsumwelt" (Zeile 50f.) reine Illusion ist. Nicht wir bestimmen, was erholsam für uns ist, sondern die "Werbesprache" (Zeile 53f.) suggeriert uns zum Beispiel Erholung in Fahrten mit dem gemieteten Geländewagen. Auf der eingeimpften Suche nach Grenzerfahrungen und Nervenkitzel betreiben wir Pseudosportarten wie "Canyoning" oder "Funcarving" und tun dabei doch nur genau das, was die "Vermarktungsstrategien" (Zeile 55f.) für uns vorgesehen haben. Nicht wir bestimmen, was sehenswert ist, sondern "Veranstalter" (Zeile 62f.) präsentieren uns Sehenswürdigkeiten in perfekt erschlossenen, klischeehaften Bilderbuchlandschaften. Wenn wir mit gepanzerten Wagen durch Nationalparks fahren und wilde Tiere in ihrer Umgebung stören, glauben wir auch noch an ein besonderes Naturerlebnis. Nicht wir bestimmen, worauf wir Lust haben, sondern "Urlaubsmacher" (Zeile 51f.) "wecken unsere geheimen Lüste" (Zeile 54f.). Wir quälen uns entgegen allen Empfehlungen der Mediziner in sengender Hitze an Pools und Stränden und sprechen dabei auch noch von Entspannung.

Könnten wir uns nämlich wirklich von der "Standardisierung der Ferienräume" (Zeile 64f.) befreien, würden wir schnell feststellen, dass das "Paradies" tatsächlich "austauschbar" (Zeile 71f.) ist. Wir müssten zu der Erkenntnis kommen, dass Erholung als körperlicher und seelischer Ausgleich von Alltagsbelastungen mit ganz wenigen Mitteln, in unserer unmittelbaren Umgebung zu finden ist. Jedoch kaum einer kennt heute noch seine heimatliche Landschaft, ihre Geschichte und geografische Entstehung. Wer erkennt schon das Erreichen selbstgesteckter Ziele beispielsweise einer einfachen Fußwanderung als die wahre Zerstreuung, nach der wir uns so sehnen? Nicht die Entfernung unseres Reiseziels von der Heimat entscheidet doch über den Erholungswert des Urlaubs, sondern dass wir die Zwänge und Erwartungen unseres medien- und konsumgeprägten Alltags nicht mit auf die Reise nehmen.

Wenn man also dem Verfasser des Artikels einen Vorwurf machen könnte, so den, nicht weit genug mit seinen Schlussfolgerungen gegangen zu sein. Seiner Grundaussage kann ich mich jedoch nur anschließen: Der Tourist von heute möchte "überall daheim" sein, weil alles was ihm laut den Anpreisungen der Tourismusindustrie zu seiner Erholung zu fehlen scheint, nur die geografische Lage seines Aufenthaltsortes sei, nicht aber der Mut, selbst die Initiative zu ergreifen.
 

Lösungsvorschlag zur Texterörterung 2 (Luxus)

"Hat der private Luxus überhaupt noch eine Zukunft?" - ausgehend von dieser Frage hat der 1929 geborene Autor Hans Magnus Enzensberger die Abhandlung "Luxus - woher, und wohin damit?" geschrieben, die hier in Auszügen vorliegt. Die Abhandlung beschäftigt sich damit, was wohl die Zielsetzungen künftiger Gesellschaften sind.

Einleitend (Zeilen 1 - 7) weist Enzensberger darauf hin, dass all seine dargelegten Überlegungen "nur Vermutungen" (Zeile 1f.) seien, und er geht anschließend von einer Abkehr von traditionellen Luxusvorstellungen in der Zukunft aus (Zeilen 8 - 11). Als "wichtigstes aller Luxusgüter" (Zeile 12) benennt er nun die Lebenszeit der Menschen, die in immer stärker zunehmenden Verflechtungen und Abhängigkeiten der Individuen untereinander immer kostbarer werde (Zeilen 12 - 25). Der zweite wichtige Aspekt sei daraufhin die "Aufmerksamkeit" (Zeile 26) in einer steigenden Informationsflut der künftigen Kommunikationsgesellschaft (Zeilen 26 - 34). Im Folgenden stellt der Autor den "Raum" (Zeile 35) als Synonym für Einengung des Menschen angesichts steigender Mobilität bei gleichzeitig steigendem Platzbedarf dar (Zeilen 35 - 44). Des Weiteren erscheint für ihn akustische "Ruhe" (Zeile 45) als kostbares Gut, da die menschliche Gesellschaft immer mehr und immer lautere Geräusche produziere (Zeilen 45 - 52). Letzter Gesichtspunkt ist seiner Meinung nach "die Umwelt" (Zeile 53), mit der Enzensberger auch die Auswirkungen der Gesellschaft auf Gesundheit und Wohlbefinden des Einzelnen meint (Zeilen 53 - 59). Zum Abschluss wiederholt er noch einmal seine These vom erforderlichen Wertewandel mit anderen Worten und geht dabei vor allem auf die quantitative Sichtweise ein (Zeilen 61 - 64).

Es stellt sich zunächst die Frage, ob die von Hans Magnus Enzensberger angeführten "Prioritäten" (Zeile 2) nach ihrer Relevanz tatsächlich in dieser Reihenfolge zu nennen sind. Unstrittig scheint die Zeit höchste Priorität zu genießen. Die geistige Informationsverarbeitung in der zukünftigen Mediengesellschaft ergibt sich folgerichtig direkt als zweiter Punkt daraus. Obwohl mit fortschreitender Zahl der Aspekte die Grenzen zwischen ihnen fließender werden, erscheint es als unlogisch, die Umweltproblematik als letzten Punkt anzusetzen. Gerade hier zeigen sich doch noch deutlicher als bei der Zeit die "vielfältigen Abhängigkeiten" (Zeile 16), denen sich nur wenige entziehen können werden.

Die von Enzensberger aufgestellte These "nicht [...] Vermehrung, sondern [...] Verminderung" (Zeile 63f.) kann beispielhaft an Punkt 3 "Der Raum" (Zeile 35) verdeutlicht werden. Er macht hierbei anschaulich, dass eine immer stärker werdende Mobilität des Menschen eher zu einer "Verdichtung der Lebensverhältnisse" (Zeile 38ff.) führt, anstatt dem Individuum zu mehr Freiräumen zu verhelfen. Gemeint ist hier der drohende Verkehrsinfarkt in den Ballungszentren. Sehr gut nachvollziehbar zeigt er dies auch am scheinbaren Mangel an Wohnraum auf, der zum großen Teil einfach verschwendet wird, um mehr oder weniger überflüssige Konsumprodukte aufzubewahren.

Trotzdem der Autor Hans Magnus Enzensberger bereits einleitend auf den hypothetischen Charakter seiner Einlassungen hinweist, lesen sich diese doch eher wie eine Beschreibung des Istzustandes. Voraussetzung ist nur die Erkenntnis, dass es sich bei diesen "Prioritäten" um "Luxus" handelt. Hätte er deshalb auf einzelne individuelle persönliche Wertungen, wie zum Beispiel "absurde Ladenschlusszeiten" (Zeile 21), verzichtet, müsste man sich seinen Schlussfolgerungen fast zwangsläufig anschließen.
 

Lösungsvorschlag zur Texterörterung 3 (Einwanderung)

"Einwanderung statt Zuwanderung" - unter diesem Titel erschien im Nachrichtenmagazin FOCUS in Ausgabe 38/2000 ein Artikel des renommierten Politologen Bassam Tibi mit dem Grundtenor, dass "zu viele Ausländer das Asylrecht missbrauchen". Der 56-jährige Autor, selbst nicht deutscher Abstammung, lehrt seit 1973 an der Universität Göttingen Politikwissenschaften und hat unter anderem die Veröffentlichung "Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft", erschienen im Siedlerverlag, verfasst.

Einleitend (Zeilen 1 - 35) berichtet Herr Tibi von einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der Aufforderung von Bundespräsident Rau, "eine breite öffentliche Debatte" über Einwanderung in Gang zu setzen, folgte. Er führt hierbei Beispiele von Berichten mehrerer Tagungsteilnehmer an, die zum Ausdruck brächten, dass zunehmend niedrig gebildete Zuwanderer aus unteren sozialen Schichten einer erfolgreichen Integration nicht fähig seien. Des Weiteren stellt er ein Umdenken in der deutschen Gesellschaft in Bezug auf die Tatsache, dass Deutschland "faktisch ein Einwanderungsland" (Zeile 37) sei, fest und beruft sich dabei auf Bundesinnenminister Schily, der bereits "eine Steuerung der Einwanderungspolitik" (Zeile 39f.) gefordert habe (Zeilen 36 - 40). Hiernach präzisiert der Autor, dass darunter eine Auswahl der Zuwanderungswilligen nach ihrer beruflichen Qualifikation zu verstehen sei (Zeile 41f.). Der Politologe führt im Folgenden (Zeilen 45 - 55) aus, dass eine unkontrollierte Zuwanderung bereits in der Vergangenheit zu einer Veränderung der Sozialstruktur der in Deutschland lebenden Ausländer geführt habe und macht dies an einem statistischen Anstieg des Ausländeranteils an den Sozialhilfekosten fest. Als unmittelbare Folge sieht er die Diskriminierung von Ausländern insgesamt, die vor allem den "integrierten Ausländern" (Zeile 56) ein zunehmendes Ärgernis sei (Zeilen 56 - 62). Der Politikwissenschaftler hält in seinen weiteren Ausführungen ein Einwanderungsgesetz für die einzige Lösung (Zeilen 63 - 71), welches vor allem das bisher gültige verfassungsmäßige Grundrecht auf Asyl nicht aussparen dürfe (Zeilen 72 - 78) und nimmt noch einmal Bezug auf die Auswirkungen für den deutschen Sozialstaat (Zeilen 79 - 92). Abschließend stellt Bassam Tibi die Aufrechterhaltung des Artikels 16a des Grundgesetzes, in dem das Asylrecht geregelt ist, auch im Hinblick auf die europäische Dimension der Problematik in Frage (Zeilen 36 - 40).

Klar ist, dass das individuelle Grundrecht auf Asyl, welches in der deutschen Verfassung aus historischen Gründen verankert ist, in seiner Tragweite sicher einzigartig in der Welt und vor allem in Europa ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit jeher ein beliebtes Ziel von Menschen, die vor politischer Unterdrückung oder wirtschaftlicher Not flüchten. Im Rahmen humanitärer Hilfe für Krisengebiete, wie zuletzt der Balkan, hat Deutschland stets eine überproportional hohe Zahl an Flüchtlingen, insbesondere im europäischen Vergleich, aufgenommen. Während der Bundesrepublik in Zeiten des kalten Krieges in diesem Zusammenhang vor allem die Rolle des "Leuchtturms in der Brandung" zukam und deshalb auch die moralische Unterstützung der westlichen Bündnisländer sicher war, stellt sich die Lage heute völlig anders dar. Der "real existierende Sozialismus", vor dem viele Menschen flüchteten und der ein unbedingtes Festhalten an dem uneingeschränkten Recht auf politisches Asyl erforderte, ist in dieser Form nicht mehr vorhanden. Stattdessen sieht sich das wiedervereinigte Deutschland, dessen inneres Zusammenwachsen ohnehin große Kraftanstrengungen erfordert, im Zuge der Globalisierung einem harten Wettbewerb der westlichen Volkswirtschaften um nachhaltigen Wohlstand ausgesetzt. Unter diesem Gesichtspunkt und wenn man zusätzlich die absehbaren Folgen der ungünstigen demografischen Entwicklung berücksichtigt, scheint es legitim, die bisherige Asylpraxis durch eine regulierte Zuwanderung zu ersetzen, die neben humanitären auch die volkswirtschaftlichen Interessen Deutschlands einbezieht. Eine Abstimmung dieser Richtlinien mit unseren europäischen Nachbarn muss sich dabei geradezu aufdrängen.

Herr Tibi greift in seinem Artikel zunächst Stichworte auf, die ihm die Teilnehmer der von ihm erwähnten Tagung liefern. Er begründet die Tatsache, dass viele heute nach Deutschland zuwandernde Menschen hier mehr und mehr ein "Ghetto-Milieu" (Zeile 12) bildeten, mit der sozialen Herkunft dieser Zuwanderer in ihrem Heimatland, in dem diese nicht selten "Slumbewohner" (Zeile 21f.) oder gar "Analphabeten" (Zeile 26) seien und vor allem einen erhöhten Hang zur Kriminalität aufwiesen. Der Politologe folgert daraus, dass Einwanderung in Zukunft unter qualitativen Gesichtspunkten einer "Steuerung" (Zeile 39f.) bedürfe und sieht sich hierin durch die aktuelle öffentliche Debatte und die Äußerungen führender Politiker bestätigt.

Seine Formulierung "Rational gedacht, bedeutet Steuerung, vorwiegend qualifizierte Fachkräfte als Migranten auszuwählen,..." weckt jedoch die Erwartung beim Leser, dass er nun eine differenzierte Betrachtung des Sachverhalts folgen ließe. Stattdessen führt er im Anschluss wenig hilfreiche statistische Zahlen an, nach denen sich der Anteil von Ausländern am Sozialhilfeaufkommen in den letzten 30 Jahren annähernd verzwanzigfacht habe - wohlwissend, dass sich das Asylrecht zwischenzeitlich dahingehend gravierend geändert hat, als Aufwendungen für Asylanten von einem ursprünglich eigenständigen Budget inzwischen in die Sozialhilfe überführt worden sind, es andererseits Asylberechtigten aber untersagt ist, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Diese Argumentationsweise entspricht jedoch bedauerlicherweise genau der von rechtspopulistischen Demagogen, die damit nur Fremdenfeindlichkeit schüren wollen.

Überhaupt darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass eine "geregelte Einwanderung" (Zeile 69f.), die sich ausschließlich an der Qualifikation der Migranten orientiert, letztlich gerade den wirtschaftlich armen Herkunftsländern durch systematische Abwanderung von Eliten schadet. Zu Recht wird eine solche Praxis von verschiedenen Persönlichkeiten überspitzt als "menschenverachtend" bezeichnet, da sie im Grunde den Menschen nur nach seinem volkswirtschaftlichen Nutzen beurteilt. Die sprachliche Nuancierung mit Hilfe der Begriffe "Zuwanderung" und "Einwanderung" (Zeile 63ff.) kann hier das Fehlen einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Problematik seitens des Autors nicht kaschieren.

Die anschließend von Herrn Tibi aufgebaute Argumentationskette birgt einen gravierenden Widerspruch in sich. Aus der Tatsache, dass "96 Prozent der Asylbewerber Zuwanderer und keine politisch Verfolgten" (Zeile 76ff.) seien, leitet er eine hinreichende Begründung für die Abschaffung des Asylrechts in seiner jetzigen Form ab und scheint dabei beispielsweise von einem kürzlich von der CDU Deutschland veröffentlichten Arbeitspapier, welches unter anderem einen ähnlichen Tenor enthält, bestätigt zu werden. Diese Argumentation widerspricht sich jedoch selbst, denn Zuwanderer die nicht "politisch Verfolgte" sind, besitzen ja eben gar kein "Asylrecht" und fallen somit überhaupt nicht unter die Gruppe derer, denen der Schutz des Grundgesetzes der Bundesrepublik vor Verfolgung gewidmet ist. Artikel 16a des Grundgesetzes findet auf diese Personen nur in sofern Anwendung, als in Absatz 4 Richtlinien zum Umgang mit "offensichtlich unbegründeten" (ebd.) Asylanträgen formuliert sind, deren Umsetzung jedoch ausdrücklich durch Bundesgesetz zu bestimmen ist. Nicht das Asylrecht ist also in Frage zu stellen, sondern die bisherige Praxis seiner Durchsetzung. Die hierzu angebrachten Anregungen des Politikwissenschaftlers bleiben aber wiederum aus. Gerade in diesem Zusammenhang wäre die von ihm angemahnte europäische Harmonisierung und Zusammenarbeit besonders sinnvoll.

Als Fazit bleibt festzustellen, dass Herr Tibi mit seinem Artikel einer dringend notwendigen Versachlichung der Diskussion einen Bärendienst geleistet hat. Besonders vor dem Hintergrund, dass dieses Thema voraussichtlich eine wichtige Rolle im kommenden Bundestagswahlkampf spielen wird, in dem der Unmut der Wähler über die zweifellos bestehenden Integrationsprobleme möglicherweise gegen die Zuwanderung insgesamt ausgespielt werden könnte, wäre eine Entemotionalisierung der Debatte vor allem mit Argumenten aus Sicht der Wissenschaft wünschenswert gewesen.

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